Ausstellungsidee

Portrait Hergen Wöbken
Hergen Wöbken © Jeanne Degraa
Hergen Wöbken ist Autor zahlreicher Artikel und Studien über das Betriebssystem Kunst. Er studierte Ökonomie und Philosophie an der Universität Witten/Herdecke und organisierte als Student die Konferenz ‚oeconomenta‘, die sich mit dem Spannungsfeld Kunst und Wirtschaft auseinandersetzt. 2003 gründete er das Institut für Strategieentwicklung (IFSE). Von 2007 bis 2011 war Wöbken Gaststudent in der Klasse von Katharina Sieverding an der Universität der Künste in Berlin.

Irgendwas ist immer mit Stuttgart. Kolchose in den 90ern, „Schwabenhass“ im Berlin der 2000er, Stuttgart 21, Querdenker und #wirsind0711. Und irgendwie hat es immer mit einem Klischee zu tun – über Sprache, über Tugenden oder Charaktereigenschaften. Ob ich das wirklich verstehe? Nein. Die Frage ist mit Heimat und Herkunft verknüpft. Meine Heimat ist Bremen. Aber nicht zuletzt seitdem die taz am 12. März 2021 vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg „Verstehen Sie Ba-Wü?“ titelte und dem Thema weitere volle 12 Seiten in der Zeitung widmete, weiß ich, dass ich nicht der einzige bin mit dieser Frage. Stuttgart scheint eine besondere Heimat zu sein, mit allem, was daran gut oder schlecht sein kann, ein Tal der starken Identitäten, der Selbstauseinandersetzung und mit einem ausgeprägten Selbstbewusstsein.

In Deutschland stellen wir die Frage nach Heimat nicht ohne Ambivalenz, nicht ohne ein Unbehagen, nicht ohne Kritik. Und das ist gut so. Wir bewegen uns in den letzten Jahrzehnten zwischen Vergangenheitsbewältigung und einem positiven Deutschlandgefühl. Wann immer wir uns in den 90er und Nullerjahren zwischen der Wiedervereinigung und dem „Sommermärchen“ im Jahr 2006 mit einem positiven Deutschlandgefühl anfreunden wollten, fanden wir uns bald in schlechter Gesellschaft und wurden regelmäßig enttäuscht. Auf die Euphorie von 1990 folgten eininge der schlimmsten rechtsradikalen Exzesse in der neuen Bundesrepublik. Und kaum fieberten wir mit unseren Fußballern bei der Weltmeisterschaft, schon fanden wir uns auch in Gesellschaft einer sehr dumpfen Variante von Nationalstolz wieder.

Dieses Spannungsfeld engt auch begrifflich ein. Wobei es mir bei der Frage nach Heimat um Vielfalt, Widersprüchlichkeit und Mehrdeutigkeit geht. Es gilt also, die bisher romantisch oder abwertend kritisch gestellte Frage nach Heimat anzureichern, wenn wir unwahrscheinlich gedachte Perspektiven, Inspiration und überraschende Einsichten ermöglichen wollen.

Die Idee zur Ausstellung „COME BACK“ entstand im letzten Jahr, als ich mich während einer Zusammenarbeit mit der Galerie Valentien öfter in Stuttgart aufhielt. In den mehr als zwanzig Jahren, die ich zum Betriebssystem Kunst forsche, ist mir aufgefallen, wie viele Künstlerinnen und Künstler ursprünglich aus Stuttgart und Baden-Württemberg kommen – mit einigen von ihnen stehe ich seit langer Zeit im Austausch, manche habe ich durch dieses Projekt neu kennengelernt. Diese hohe Dichte der Künstler*innen ist kein Zufall, dahinter stehen entsprechende strukturelle Voraussetzungen.

Wie wäre es, wenn wir Künstlerinnen und Künstler aus Stuttgart und Baden-Württemberg einladen, in ihrer Heimat auszustellen? Das ist keine neue Idee. Zumindest gab es schon ähnliche Ausstellungen mit der Klammer Kunst und Baden-Württemberg – mit Positionen aktueller und ehemaliger Stipendiat*innen der Kunststiftung Baden-Württemberg, 2014 in der Galerie Valentien und 2017 im ZKM Karlsruhe. Ein wesentlicher Unterschied ist, dass ich Künstler*innen eingeladen habe, die zumindest zwischenzeitlich in die Ferne gezogen sind, um dort ihre Karriere zu machen. Eine Installationsansicht mit der jeweiligen künstlerischen Arbeit sowie jeweils ein kurzes Interview zum Einstieg finden Sie auf dieser Website. Vollendet wird die Ausstellung mit Ihrem Besuch, der hoffentlich bald möglich sein wird.

Ich danke allen Künstlerinnen und Künstlern ebenso wie ihren jeweiligen Galerien, dass sie sich auf dieses Experiment eingelassen haben und diese Ausstellung möglich machen! Danke an Imke Valentien für die einmalige Möglichkeit, etwas mehr über die Arbeit zu lernen, die ich ansonsten beforsche. Ein besonderer Dank geht an Petra Olschowski für ihr Grußwort sowie an Hermann Bausinger für seine Antworten zur Geschichte von Baden-Württemberg und dem Begriff Heimat. Danke an die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien für die Unterstützung mit dem Hilfspaket NEUSTART KULTUR durch die Stiftung Kunstfonds!

Wir freuen uns auf das Gespräch mit Ihnen!

Mit herzlichen Grüßen
Ihr Hergen Wöbken

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