Nadja Schöllhammer
Nadja Schöllhammer wurde 1971 in Esslingen am Neckar geboren.
Sie lebt und arbeitet in Berlin.
Weitere Informationen: Website von Nadja Schöllhammer
Wo bist Du aufgewachsen?
Esslingen war zwar mein Geburtsort, aber gesehen habe ich die Stadt zum ersten Mal vor ein paar Jahren. Ich habe meine ersten Lebensjahre in dem urigen Dorf Hegenlohe im Schurwald verbracht. Das war für Kinder der Wahnsinn. Mich beeinflussen bis heute Eindrücke von damals: Materialien, die wir im Fluss gefunden haben, glitzernde Bachkäfer oder verknorrte Baumstümpfe, und kleine Tiere, die eigentlich riesige Monster sind, wenn man sie als Kind aus der Nähe betrachtet. Mein Wunsch, verschlungene Welten zu bauen, entstand durch ein Raumerleben, das sich in der Kindheit ausgebildet hat – mit der Fähigkeit, etwas in Dinge hineinzusehen, in Strukturen Gestalten zu sehen, die sich immer wieder verwandeln. Mich interessiert das Fragile, Strukturen im Wasser oder Spinnweben, und das Vergängliche, der Tod, aber nicht als Stillstand, sondern als Übergang und Verwandlungsprozess. Ich erinnere mich auch, dass mich neben der Natur als Kind die Fasnet-Tradition fasziniert hat, die Masken aus Holz und anderen Naturstoffen, die mir auch Angst gemacht haben.
Wann hast Du Dich für die Kunst entschieden?
Nach der Schule hatte ich keine klare Idee davon, was ich machen will. In den Jahren habe ich Romanistik und Germanistik in Stuttgart studiert und im Gegensatz zur Zeit davor kaum noch gemalt und gezeichnet. Ich hatte den Drang, wegzugehen, das war eine Art Fluchtimpuls, auch eine Sehnsucht, die große weite Welt kennenzulernen.
Dann habe ich ein Erasmus-Stipendium in Madrid bekommen. Dort habe ich wieder angefangen zu zeichnen und zu malen, habe an Kursen teilgenommen, Straßenszenen aus Madrid skizziert, Stillleben oder Meerestiere vom Markt, riesige Krabben gemalt, knallrot mit stacheligen Füßen. Damit habe ich mich in Stuttgart und Berlin beworben und wurde an beiden Akademien angenommen. Die Akademie in Stuttgart fand ich etwas besser, aber ich hatte entschieden, dass ich in Berlin leben möchte, wenn ich nach Deutschland zurückgehe. Anfang der 90er hatte ich einen guten Freund in Berlin besucht. Es fand gerade eine der ersten Loveparades statt. Die damalige Stimmung in Berlin hat mir sehr gut gefallen.
Wie entstehen Deine Arbeiten?
Bei mir kommt alles aus dem Material. Ich weiß vorher nicht, was am Ende bei einer Arbeit herauskommt. Ich denke mit den Händen und lasse mich überraschen, was aus dem Material entsteht. Bei meinen dreidimensionalen Zeichnungen interessiert mich die Auflösung von linearen Geschichten. Ich möchte zirkuläre Ereignisse schaffen, die auf unterschiedlichen Wegen visuell erkundet werden können. Speziell bei den Arbeiten, die in Stuttgart gezeigt werden, interessiert mich das Kippen vom Fragil-Schönen zum Abgründigen und zurück – das Gefühl, das der Ist-Zustand jederzeit zusammenbrechen kann und etwas vollkommen anderes zum Vorschein kommt. Die Arbeiten „Delirium I“ und auch die Reihe „Beauty Queen I – III“ bestehen aus Schichten von Papier aus Werbeanzeigen und klassischen Frauenzeitschriften, die ihre oberflächlichen Vorgaben verbreiten, wie eine Frau aussehen soll, was Normen für weibliche Schönheit sind. Das Papier habe ich mit Skalpell, Tusche und Aquarellfarben und Heißkleber bearbeitet. Ich hatte den Impuls, die Gesichter zu verändern, das Maskenartige herauszuarbeiten, die Hintergründe zu variieren, um damit neue Bezüge und Bedeutungen zu ermöglichen.
Johanna Hardt on Nadja Schöllhammer’s work – in englischer Sprache
Abbildung oben: „Beauty Queen II” und „Beauty Queen III” von Nadja Schöllhammer (rechts)
Abbildung unten: „Delirium I”, „Klimmer” (I+III+V) und „Beauty Queen I” (von links nach rechts)